Tschüss, Timo – (Teil 4 mit Thomas Weikert): „Ein Aushängeschild des deutschen Sports“

Tschüss, Timo – (Teil 4 mit Thomas Weikert):  „Ein Aushängeschild des deutschen Sports“

Deutschlands Topstar Timo Boll absolviert mit Borussia Düsseldorf seine angekündigte Abschiedstour durch die Tischtennis Bundesliga (TTBL). An dieser Stelle formulieren in regelmäßigen Abständen wichtige Wegbegleiter des erfolgreichsten Spielers in der Bundesliga-Geschichte ihre Gedanken und Erinnerungen an Timo Boll und seine unvergleichliche Laufbahn. Im vierten Teil unserer Serie „Tschüss, Timo“ blickt Thomas Weikert, der Bolls Karriere als Präsident zunächst des Deutschen Tischtennis-Bundes, später der Internationalen Tischtennis-Föderation und seit drei Jahren an der Spitze des Deutschen Olympischen Sportbundes verfolgt, auf Begegnungen mit seinem hessischen „Landsmann“ zurück.

„Mit Timo Boll verbinde ich viele Erinnerungen. Ich kann vorwegnehmen: es sind – außer auf der sportlichen Ebene auch auf der menschlichen Seite - durchweg gute, angenehme und schöne. Rückblickend hat es sich so gefügt, dass Timo während seiner gesamten Karriere – mal mehr und mal weniger eng – zu den Begleitern meiner eigenen Laufbahn als Sportfunktionär zählte. Dafür bin ich dankbar, und darauf bin ich auch stolz.

Schon an unsere erste Begegnung kann ich mich noch sehr gut erinnern. Mitte der 90er Jahre, als ich beim DTTB gerade Vorsitzender des Kontrollausschusses geworden war, bestritt meine Mannschaft vom TTC Elz gegen den TTV Müller Gönnern, und bei unseren Gegnern feierte ein Teenager sein Debüt in der 2. Bundesliga: Timo Boll. Es hieß seinerzeit bereits, dass „der Boll“ das absolut überragende Talent in Deutschland wäre, auch wenn er gegen uns seine Feuertaufe zunächst noch im unteren Paarkreuz absolvierte. Wir haben dennoch gewonnen – viel Erfahrung nämlich. Wenn ich mich recht entsinne, verloren wir das Spiel 1:9 oder sogar 0:9.

Inszenierter Aprilscherz bei der EM 2007

Gerne denke ich auch an weitere Begegnung zurück. Bei den Europameisterschaften 2007 in Belgrad, es war für mich die erste EM in der Funktion als DTTB-Präsident, begann ich die Tage immer mit einem Jogginglauf. Eines Tages sprach mich Timo an, ob wir nicht einmal gemeinsam laufen wollten. So zogen wir eine Runde zunächst durch Belgrads Innenstadt, verlegten aber unser Programm rasch – wegen der vielen freilaufenden Hunde und ihrer Hinterlassenschaften – ans Ufer der Save. Auch wenn ich im Laufe der vorherigen Jahre und seiner ersten großen Erfolge weiterhin immer wieder Kontakt zu Timo hatte, zeigte mir die Erinnerung an diesen Lauf nur einmal mehr, welch ein natürlicher, freundlicher, nahbarer und unkomplizierter Mensch Timo war und bis heute auch geblieben ist.

In Belgrad durfte ich damals auch wieder einmal Timo von seiner humorvollen Seite erleben: Angesichts von erstmals drei EM-Titeln für die Herren, darunter auch der erste für die Mannschaft, planten wir für den Schlussabend am 1. April einen passenden Aprilscherz mit dem damaligen Herren-Bundestrainer und heutigen Sportvorstand Richard Prause: Mithilfe von Timo und ebenfalls eingeweihten Journalisten inszenierten wir angebliche Liveinterviews mit ‚Richie‘ und natürlich Timo als dreifachem Titelgewinner, und nachdem ‚Richie‘ wie erwartet eine sehr positive Bilanz gezogen hatte, nahm der Gag im ‚Interview‘ mit Timo seinen Lauf. Erst äußerte sich Timo – ebenfalls noch erwartbar – zufrieden mit dem EM-Ergebnis, wechselte dann aber die Tonlage und beklagte zur Verwunderung aller Anwesenden mit erstaunlicher Ernsthaftigkeit recht nachdrücklich, dass der Trainer im Turnierverlauf trotz der Erfolge ja nie die richtigen Tipps gegeben hätte. Mit einem Schlag herrschte abrupte Stille, viele schauten sich ungläubig an, und ‚Richie‘ fiel aus allen Wolken – und mochte uns auch nach der Auflösung der Situation seinen tiefen Schock nicht gleich direkt wieder verzeihen….

Viele gemeinsame Jahre mit großen Erfolgen

Besonders auch dank Timo konnte ich acht Jahre nach Belgrad bei meinem Wechsel an die ITTF-Spitze auf eine erfolgreiche Amtszeit beim DTTB zurückschauen. Wir feierten auch Medaillen bei Olympia und Weltmeisterschaften, und bei Europameisterschaften in diesem Zeitraum auch immer Einzel-Gold, wenn er spielte – außer 2009 beim EM-Heimspiel in Stuttgart.

In meiner heutigen Funktion beim DOSB bemerkte ich schon kurze Zeit nach meinem Amtsantritt die ungemein und weitverbreitet hohe Wertschätzung für Timo als Sportler wie auch als Persönlichkeit. In seiner Freundlichkeit und schier unerschöpflichem Geduld im Umgang mit Autogramm- und Selfiewünschen von Fans, seiner Bereitschaft zur Unterstützung von Hilfsprojekten, seiner nahbaren Bodenständigkeit, seiner längst berühmten Fairness und Achtung gegenüber jedem Gegenspieler ähnelt Timo einer anderen Ikone des deutschen Sports: unserem Basketball-Idol Dirk Nowitzki. Es ist in meinen Augen wohl mehr als nur Zufall, dass gerade Timo und Dirk bekanntermaßen gute Freunde geworden sind und schon gemeinsam mit ihren Familien Zukunftspläne schmieden.

Timo gilt völlig zu Recht als ein echtes Aushängeschild des deutschen Sports. Sein hohes Ansehen strahlt auch auf das deutsche Tischtennis ab, worauf alle stolz sein dürfen.

Selbst bin ich jedenfalls sehr froh und auch wirklich stolz – froh und stolz nämlich, als guter Bekannter und Verantwortungsträger im Sport einen Sportsmann wie Timo so lange Zeit erlebt haben zu dürfen.“

 

Aufgezeichnet von Florian Manzke