Timo Boll vor dem Liebherr Pokal-Finale: "Um Titel zu spielen, macht immer noch Spaß“

Timo Boll vor dem Liebherr Pokal-Finale: "Um Titel zu spielen, macht immer noch Spaß“

Kein Spieler aus der Tischtennis Bundesliga (TTBL) hat den Pokal öfter in die Höhe gestreckt als das deutsche Idol Timo Boll. Vor dem Liebherr Final Four am 8. Januar (Sonntag) in der ratiopharmArena in Neu-Ulm/Ulm schätzt der WM-Dritte von Rekordpokalsieger Borussia Düsseldorf die Chancen seiner Meistermannschaft im Halbfinale gegen Cupverteidiger 1. FC Saarbrücken-TT ein und erinnert sich an eine unangenehme Pokal-Überraschung.

Timo Boll, das Liebherr Final Four im Pokal bedeutet wenige Tage nach dem Jahreswechsel für alle teilnehmenden Mannschaften aus der Tischtennis Bundesliga (TTBL) und ihre Spieler einen Kaltstart. Was bedeutet das für die Form?

Das kommt natürlich auf Umfang und Qualität der Vorbereitung ab. Die Pause seit unserem letzten Bundesliga-Spiel vor Weihnachten hat keine Ewigkeit gedauert, sondern gerade einmal fünf Tage, da haben wir wohl nicht so viel an Form verloren. Um die Form mache ich mir deswegen für die Pokal-Endrunde keine Sorgen.

Ihre Generalprobe für den Pokal haben Sie bei Borussia Düsseldorfs 3:1-Sieg gegen den TTC Schwalbe Bergneustadt im Duell mit dem Franzosen Romain Ruiz gewonnen. Welche Rückmeldung haben Sie durch das Match bekommen?

Das war solide gegen einen wilden Spieler, bei dem man nie genau weiß, was kommt. Ich habe gut die Ruhe bewahrt und abgeklärt gespielt. Aber unser Pokal-Halbfinale gegen den 1. FC Saarbrücken-TT wird natürlich ein ganz anderes Spiel, da kommt nochmal ein ganz anderer Druck und eine ganz andere Qualität auch im Aufschlag-/Rückschlag-Bereich. Ich war mit meinem Spiel gegen Ruiz zwar zufrieden, aber ob das gegen Saarbrücken reicht, weiß ich nicht. Da werde ich wohl einen Gang hochschalten müssen.

Die Terminhatz im internationalen Kalender wird immer fordernder. Bei Rekordpokalsieger Düsseldorf können Sie sich dieses Jahr aber fast zwei Wochen auf die Revanche im Halbfinale für die Endspielniederlage im Vorjahr gegen Saarbücken vorbereiten. Wie wichtig ist Ihnen die lange Vorbereitungszeit mit Ihren Mannschaftskollegen?

Dass wir nun bis zum Pokal als gesamte Mannschaft zehn Tage am Stück gemeinsam haben, ist wirklich selten geworden. Ich kann mich noch gut daran erinnern, dass unsere Vorbereitung auf die Saison vor langer Zeit beim TTV Gönnern oft über vier und teilweise sogar über sechs Wochen gedauert hat uns und unser damaliger Trainer Helmut Hampl immer seinen Plan gemacht hat, durch den wir drei Wochen kein Aufschlag gemacht und nur Beinarbeit trainiert haben. Aber so etwas gibt es heutzutage nicht mehr, so etwas kennen die jungen Spieler gar nicht mehr, weil sie nur noch Trainingssessions in Blöcken haben und von Turnier zu Turnier hetzen. Auch durch diese Terminhatz ist Tischtennis ein anderes Spiel geworden.

Sie haben zahlreiche Medaillen bei Olympia und Weltmeisterschaften gewonnen, so viele EM-Titel wie kein anderer Spieler und auch den DTTB-Pokal so oft wie niemand anderes geholt. Was macht für Sie den Stellenwert des Pokals und des Liebherr Final Four aus?

Es ist der Spaß, aber natürlich auch immer noch das Gefühl, um Titel zu spielen, wenn man merkt, dass es um die Wurst geht, dass alle heiß sind und dass alle etwas angespannter sind. Dieses Gefühl ist schön, aber es wird eines Tages nicht mehr so da sein, und deswegen genieße ich das alles wieder sehr und fürchte auch nicht, dass es im Pokal inzwischen viel offener ist als früher. Ich freue mich wirklich darauf, denn die Momente wird man eines Tages nicht mehr haben, und so lange man eben um Titel spielen kann, ist es doch super.

Ist das diese Form von Wahnsinn, mit der Sie sich kürzlich selbst ein wenig augenzwinkernd beschrieben haben?

Naja, es geht eher nicht jeder so entspannt mit Wettkämpfen um wie ich, und deswegen sind viele andere auch früher durch, das gilt vor allem, wenn es mal nicht mehr so läuft, wenn Probleme kommen, wenn es stressig wird. Aber mir macht es einfach weiterhin Spaß. Ich habe dafür mittlerweile auch einen guten Weg gefunden, mich realistisch einzuschätzen, aber trotzdem auch noch immer nach Lösungen zu suchen. Das macht unheimlich Spaß.

Das Dauer-Duell mit Saarbrücken ist schon angesprochen worden. Was erwarten Sie sich von diesem Spiel?

Gegen Saarbrücken ist für uns der Punkt gegen ihren Dreier fast Pflicht. Sie haben Cedric Nuytinck einen Spieler dabei, der gefährlich ist, der vielleicht noch nicht so überzeugend gespielt hat, vor dem aber jeder Spieler eben wegen der Gefährlichkeit Respekt hat. Durch ihn sind sie auf der Position auch stärker geworden. Einer von uns muss gegen Patrick Franziska oder Darko Jorgic ein Break schaffen – wir sind zwar im Doppel recht stark, aber darauf sollte man sich nicht verlassen.  Aber in jedem Fall müssen wir alle wohl sicher am Limit spielen.

In den beiden vergangenen Jahren musste die Pokal-Endrunde wegen der Corona-Vorschriften jeweils ohne Zuschauer stattfinden. Dieses Mal sind Fans und Besucher wieder auf den Rängen erlaubt. Was macht für einen Spieler in der Box den Unterschied zwischen einer Geisterkulisse und einem Spiel mit Zuschauern aus?

Es hilft, um auf Temperaturen zu kommen und innerlich den Stress zu generieren. Es kommt halt nur darauf, in welche Richtung jeder Einzelne den Stress gehen lasst, ob man das in positive Energie umwandeln kann oder eher zittrig wird. Das ist schon spannend, denn weil nicht jeder Tag gleich ist, weiß man selbst nie so ganz genau, in welche Richtung es geht. Ich freue mich aber in jedem Fall, wieder vor Zuschauern zu spielen. Besonders für sie ist das Turnier ja auch ein Leckerbissen, denn so offen war es ja wirklich auch noch nie.

Aus dem Fußball ist die Redensart „Der Pokal hat seine eigenen Gesetze“ allzu gut bekannt. Haben Sie persönlich ebenfalls Erinnerungen an besondere Pokal-Momente?

Der Pokalsieg für den ASV Grünwettersbach 2020 an sich war eine Riesenüberraschung, die in der Bundesliga nicht einfach möglich wäre, weil ein Außenseiter eher nicht so oft über eine ganze Saison über seine Verhältnisse spielt. Aber in einem oder zwei Spielen geht es eben eher, erst recht heutzutage, wo alle Teams näher zusammengerückt sind. Ich kann mich aber auch an mein zweites Jahr bei Borussia erinnern, als wir 20008/2009 mit Christian Süß und auch noch Dimitrij Ovtcharov im Halbfinale ziemlich unerwartet gegen Werder Bremen verloren haben. Aber vor allem kann mich daran erinnern, weil wir da einen ordentlichen Anschiss kassiert haben.