Interview mit Ursula Reitemeyer (Leiterin Tischtennis Borussia Dortmund): „Unser Ziel ist eine Bella Figura“

Interview mit Ursula Reitemeyer (Leiterin Tischtennis Borussia Dortmund): „Unser Ziel ist eine Bella Figura“

Die Tischtennis Bundesliga (TTBL) erlebt am Freitag zu Saisonbeginn eine Premiere: Erstmals tritt Aufsteiger Borussia Dortmund zu einer Begegnung in der deutschen Eliteklasse an. Abteilungschefin Ursula Reitemeyer spricht vor dem Gastspiel bei Werder Bremen im Interview über die Rahmenbedingungen bei einem so bekannten Verein, den Umbau der Mannschaft und den Anspruch für die Debütsaison im Oberhaus.

Ursula Reitemeyer, am Freitag feiert Borussia Dortmund seine Premiere in der Tischtennis Bundesliga. Hat das berühmte Kribbeln vor dem ersten TTBL-Spiel schon begonnen?

Das Kribbeln hat schon direkt nach unserer Meisterschaft in der zweiten Liga begonnen. Als Aufsteiger ist es schwierig, da man die Liga, ihre Verhältnisse und Rahmenbedingungen nicht kennt. Es herrscht große Aufregung gemischt mit ein wenig Unsicherheit. In der zweiten Liga war alles eingespielt, es herrschte Routine. Jetzt ist alles neu. Dennoch ist natürlich eine ganz große Vorfreude da.

Spielt für Ihre Mannschaft eine Rolle, dass die Begegnung mit Werder Bremen die Saisoneröffnung für die gesamte Liga darstellt? Ist es eine besondere Ehre?

Wir empfinden es tatsächlich als große Ehre, dass wir als Aufsteiger gegen einen prominenten Gegner wie Werder Bremen das erste Spiel der gesamten Liga in der neuen Saison bestreiten dürfen. Das nehmen wir als Auszeichnung und einen Willkommensgruß der TTBL wahr.

Sein Heimdebüt im Oberhaus feiert der BVB erst im September gegen den ASC Grünwettersbach. Hätten Sie sich zur Premiere lieber ein Heimspiel gewünscht?

Darum hatten wir zunächst auch gebeten, aber beim BVB sind einige organisatorische Abläufe zeitlich anders geordnet als bei reinen Tischtennis-Vereinen. Deswegen war es für uns schließlich besser, dass wir bis zum ersten Heimspiel noch ein paar Tage mehr Zeit haben. Dafür lässt sich der Verein für die Heimpremiere aber viel einfallen. Es soll nicht zuletzt in unserer Stadt ein guter Aufschlag für uns werden.

Weil ein Name verpflichtet, bestehen vielerorts hohe Erwartungen an Dortmund. Welche Erwartungen an die erste Saison in der höchsten deutschen Spielklasse hat der BVB an sich selbst?

An eine Prognose traue ich mich kaum heran. Wir wollen uns aber als ambitionierte Mannschaft mit interessanten Spielern präsentieren, wollen Teamspirit zeigen und damit die Zuschauer mitnehmen, oder kurz zusammengefasst: Unser Ziel in unserem ersten Jahr ist eine Bella Figura. Als Borussia Dortmund darf man verlieren und muss nicht jedes Spiel gewinnen, aber es kommt immer darauf an, wie man auftritt, dass man alles gibt. Natürlich wollen wir auch möglichst wenig mit dem Abstieg zu tun haben. Wir wollen kleine Brötchen backen, aber trotzdem mit einem angemessenen Selbstbewusstsein in unsere Spiele gehen.

Welche Teams sehen Sie als Ihre größten Rivalen im Kampf um den Klassenerhalt an?

Die Liga erscheint als sehr ausgeglichen, aber traditionell nennt man auf diese Frage ja immer die Aufsteiger, wobei ich mir schon vorstellen kann, dass auch andere Mannschaften infrage kommen könnten. Unser Trainer Evgeny Fadeev hat sogar auch schon gesagt, dass hinter Borussia Düsseldorf und dem 1. FC Saarbrücken TT für uns vom dritten bis zum letzten Platz alles möglich sein kann.

Sie haben Ihre Aufstiegsmannschaft zur Hälfte ausgewechselt und dafür ein erfahrenes Trio mit den beiden Olympia-Teilnehmern Anders Lind und Cedric Nuytinck sowie Li Yongyin vom TTBL-Absteiger FSV Mainz 05 verpflichtet. Welche Strategie verfolgt der BVB mit dieser Kaderplanung?

Wir haben ausnahmslos hochengagierte Spieler in unserem Kader. Lind etwa kann nach unserer Einschätzung grundsätzlich jeden schlagen, was viel wert sein kann. Li hat in der vergangenen Saison deutlich positiv gespielt und ist in einem Alter, in dem man nicht schlechter wird. Nuytinck ist trotz seiner wenigen Einsätze zuletzt ein hervorragender Spieler. Insgesamt sind wir außerdem wohl die Linkshänder-Mannschaft der Liga überhaupt. Ohne Neuverpflichtungen wären wir ja auch kein ernstzunehmender Aufsteiger geworden und hätten unsere Anstrengungen in der vergangenen Saison an allen Stellen keinen Sinn gemacht.

Die Borussia galt schon seit einigen Jahren als potenzieller TTBL-Klub. Was hat im Vergleich dazu nach den vergangenen Meister-Saison in der zweiten Bundesliga den Ausschlag dafür gegeben, den Schritt nach ganz oben dieses Mal wirklich zu gehen?

Die Meisterschaft war wichtig, weil wir damit unseren Anspruch gegenüber dem Hauptverein und den Entscheidungsträgern ganz anders darstellen konnten als mit einem zweiten Platz. Ohne die Meisterschaft hätten wir die benötigte Unterstützung und das entsprechende Budget sicher nicht bekommen, denn in einem Verein wie Borussia Dortmund zählen nur Spitzenleistungen. Am wichtigsten ist aber die vorhandene Manpower. Wir mussten ja in der Vergangenheit immer wegen unserer begrenzten Personalressource und anders als oft berichtet nicht aus finanziellen Gründen kämpfen.

Dortmund kann Fußball-Bundesliga und Champions League. Kann der BVB denn auch TTBL?

Wir hoffen das doch sehr. Wir bekommen vom Fußball alles notwendige Knowhow und auch die benötigten Experten. Aber es handelt sich in meinen Augen ja auch um eine Charme-Offensive des Gesamtvereins, die sich positiv in das gesamte Erscheinungsbild des BVB in der Öffentlichkeit auswirkt.

Die Frage drängt sich geradezu auf: Trägt sich Dortmunds TTBL-Bereich selbst oder müssen die "großen" Fußballer dabei unter die Arme greifen?

Nein, es ist nicht möglich, dass sich der Tischtennis-Bereich selbst trägt. Bei uns lässt der Verein ein bestimmtes Defizit zu. Dabei lässt sich aber, anders als bei einem vorhandenen Etat, kein Betrag für die Zukunft ansparen. Wir hoffen aber, durch höhere Zuschauerzahlen und mehr Sponsoren, eigene Einnahmen generieren zu können, damit wir dem Hauptverein nicht komplett auf der Tasche liegen.

Oft haben in der Vergangenheit Neulinge über die großen strukturellen Unterschiede zwischen den Bedingungen in der zweiten Bundesliga einerseits und der TTBL andererseits geklagt. Welche Erfahrungen hat Dortmund in dieser Hinsicht bisher gemacht?

Ich verlasse mich dabei einmal auf die Einschätzung unseres Trainers: Evgeny Fadeev sagt seit Wochen, dass jetzt alles anders ist. Aber an einigen Abläufen oder sogar Ritualen, die das Zusammengehörigkeitsgefühl in der Mannschaft und zwischen unseren Spielern und Fans stärken, möchten wir trotzdem festhalten.

Generell gefragt: Ist der gute Klang Ihres Vereinsnamens Ansporn oder Bürde?

Beides. Es ist natürlich einerseits ein Ansporn, weil wir als Verein auch dem Spitzensport verpflichtet sind. Das muss dann aber andererseits auch einigermaßen klappen, wenn man einen solchen Schritt gegangen ist - wir wollen uns schließlich nicht blamieren.

Vielen Dank für das Gespräch, Frau Reitemeyer.


Interview: Florian Manzke

Beitragsbild oben: Ursula Reitemeyer (Foto: Ursula Reitemeyer)