Interview mit Ricardo Walther (ASV Grünwettersbach): „Ein Spiel an einem Tag - und wir können das Wunder schaffen“

Interview mit Ricardo Walther (ASV Grünwettersbach): „Ein Spiel an einem Tag - und wir können das Wunder schaffen“

Der ASV Grünwettersbach gilt für das Liebherr Pokal Final Four als Außenseiter – und nimmt diese Rolle vier nach seinem sensationellen Cupgewinn ebenso klaglos wie selbstbewusst an. Im Interview spricht ASV-Nationalspieler Ricardo Walther über die unterschiedlichen Belastungen der Endrunden-Teilnehmer, Tischtennis-Wunder und seine schönsten Erinnerungen an frühere Pokalturniere.

Ricardo Walther, als einziger Teilnehmer am Liebherr Pokal Final Four 2024 sind der ASV Grünwettersbach und Sie nach dem Jahreswechsel noch einmal vor dem Endrunden-Highlight in der ratiopharm arena Ulm/Neu-Ulm im Einsatz. Empfinden Sie das Bundesliga-Spiel gegen den TTC Zugbrücke Grenzau drei Tage vor dem Pokal-Turnier im Vergleich zu den drei anderen Teilnehmern, die vor dem Final Four mindestens eineinhalb Wochen lang spielfrei waren, wegen der Belastung als Nachteil oder wegen der Spielpraxis sogar als Vorteil?

Das ist allgemein schwer zu sagen. Ich persönlich finde es gut, dass wir vor dem Final Four ein Bundesliga-Spiel haben, um nach der Weihnachtszeit und dem lockeren Training danach wieder reinzukommen. Für die notwendige Topform beim Final Four ist ein Spiel drei Tage meiner Meinung auch besser. Man kann sicher argumentieren, dass man müder als die anderen ist, aber ich halte es für sehr gut, dass ich schon Anfang Januar intensiver trainiere, in Rhythmus komme, dass ich weiß, wo ich stehe. Für mich ist die Spielpraxis auch ein größerer Vorteil gegenüber dem zusätzlichen Risiko einer Verletzung.

Grünwettersbach hat vor vier Jahren durch seinen Titelgewinn für eine der größten Überraschungen in der jüngeren Pokal-Geschichte gesorgt und vor drei Jahren letztmals am Final Four teilgenommen. Welchen Stellenwert hat das Comeback für Ihren Klub?

Das Final Four hat einen hohen Stellenwert und ist deswegen vor Saisonbeginn auch ein erklärtes Ziel, auch weil es ein großes Event ist und wir viele Zuschauer mitbringen können. Es ist für uns alle auch ein Vereinsausflug mit viel Stimmung und viel Party in der Halle, wobei wir immer der Underdog sind und doch wie schon vor vier Jahren beim Pokalsieg für unseren Verein das Wunder schaffen können. Wir sind auch dieses Jahr in der Lage, eine Überraschung zu schaffen. Dazu kommt, dass eine Mannschaft im Pokal am einfachsten einen Titel gewinnen kann, also zumindest auf dem kürzesten Weg mit meistens nur vier Spielen, da kann man große Mannschaften schon mal eher ärgern als in der Bundesliga über 20 Spieltage und Play-offs. Deswegen werden wir uns super vorbereiten, damit wir Borussia Düsseldorf ärgern können.

Sie sprechen das Halbfinale Ihrer Mannschaft gegen Ihren Ex-Klub Borussia Düsseldorf schon an. Allgemein gilt Düsseldorf als Meister und Rekordpokalsieger für dieses Duell als Favorit, obwohl in der Bundesliga erst das Doppel zugunsten der Borussen den Ausschlag gab. Wie schätzen Sie die Chancen Ihrer Mannschaft ein?

In der Bundesliga haben wir ohne Wang Xi und Tiago Apolonia und Düsseldorf ohne Timo Boll und Dang Qiu gespielt. Aber es war abzusehen, dass sich beide Mannschaften für das Final Four noch nicht in die Karten schauen lassen wollten, wo es ein ganz anderes Spiel sein wird, zu dem beide hoffentlich mit ihren drei besten Spielern antreten können. Auch wenn dadurch ganz andere Begegnungen zustande kommen, hoffen wir natürlich, dass wir es wieder knapp gestalten und ins Doppel kommen können, denn dann ist alles möglich.

Der Pokal hat für viele eine besondere Bedeutung. Hat der Wettbewerb auch für Sie eine besondere Faszination?

Der kurze Weg zum Titelgewinn ist tatsächlich schon ein wichtiger Teil der hohen Bedeutung des Pokals. Man muss sich nicht in Play-offs mit einem Best-of-three-Modus spielen, sondern es gibt ein Spiel an einem Tag, es kann alles passieren, und es kommt darauf an, wer in Topform ist, es gibt bei Krankheiten oder Verletzungen keine Möglichkeiten zu einer Spielverlegung oder zu einer Wende in einem Rückspiel. Besonders ist auch der Modus, durch den man sehen kann, was am Nebentisch passiert und wer da womöglich ins Finale kommt. Alles zusammen macht das Final Four in dieser tollen Arena zu einem unglaublichen Event.

Im Düsseldorfer Trikot haben Sie den Pokal dreimal - 2013, 2014 und 2021 - gewinnen können. Haben Sie daran eine besondere Erinnerung oder denken Sie beim Stichwort Pokal an noch ein anderes Erlebnis zurück?

Alle Titel sind in besonderer Erinnerung. Man kann mit jedem Titel etwas verbinden - ob die Teamkollegen, der Spielverlauf, die Momente, wie man gefeiert hat. Manche Titel waren vielleicht emotionaler, weil sie knapper waren oder nicht erwartet waren. Natürlich denke beim Stichwort Final Four besonders auch an all die Momente, in denen ich selbst gespielt habe oder wenn man kurz nach dem Matchball den Pokal in die Höhe halten darf. Das ist jedes Mal ein unglaublich und extrem schöner Moment, den man als Sportler unbedingt erleben möchte – davon wird man nie satt, egal wie oft man den Titel gewonnen hat. Man will diesen Titel und diesen Moment unbedingt noch einmal erleben. Die Kehrseite ist natürlich, dass es sehr schmerzt, wenn man den Gegner mit dem Pokal feiern sehen muss. Der dritte und letzte Pokalsieg mi Düsseldorf war durch die Umstände wegen der Corona-Pandemie ohne Zuschauer und mit Maskenpflicht besonders und auch etwas anders. Aber auch an meinen ersten Pokalsieg mit Düsseldorf, damals noch in Stuttgart und ich war gerade 19 oder 20 Jahre alt, kann ich mich selbstverständlich noch gut erinnern: Das war die Generation Timo Boll, Christian Süß, Patrick Baum, also eine ganz andere Mannschaft mit drei sehr guten und erfahrenen Nationalspielern, was sich auch in der guten Stimmung widerspiegelte. Dass ich als junger Spieler dazugehören und mit diesen Stars zusammenspielen konnte, war für mich natürlich trotz der klaren Reservistenrolle ein Highlight. Überhaupt denke ich natürlich bei Pokal immer zuerst an diese drei Erfolge.

Vielen Dank für das Gespräch, Ricardo Walther.

 

Interview: Florian Manzke