Interview mit Patrick Franziska (1. FC Saarbrücken TT): „Wie es ist, reicht es für uns nicht“
Patrick Franziska und der 1. FC Saarbrücken TT sind in der Tischtennis Bundesliga (TTBL) unerwartet unter Druck geraten. Im Interview spricht der Nationalspieler über die Situation des Champions-League-Gewinners in der Meisterschaft, die Auswirkungen des immer volleren Terminkalenders auf die Personalplanungen von Vereinen und sein buchstäbliches „Family Business“ in der Liga.
Patrick Franziska, die Europameisterschaften in Linz sind gerade erst vorbei, aber für Ihren 1. FC Saarbrücken TT kann von Entspannung wohl kaum die Rede sein: Platz acht nach gut der ersten Hälfte der Vorrunde dürfte für den Champions-League-Sieger und Vizemeister sicherlich kaum als standesgemäß empfunden werden, oder?
Natürlich sind wir mit Platz acht nicht gerade zufrieden. Besonders zuhause haben wir nicht die besten Spiele gemacht. Es waren einige knappe Niederlagen, aber unsere Siege waren auch nur sehr knapp, so dass es durchaus für uns auch noch schlimmer hätte aussehen können. Wichtig ist, dass wir die Situation erkennen, und das machen wir auch. Uns ist natürlich bewusst, dass für uns so nicht reicht, wie es ist. Es ist zwar auch noch etwas Zeit, aber wir müssen schon zusehen, dass wir schleunigst wieder in die Erfolgsspur kommen.
Saarbrücken hat bisher noch nicht einmal gegen alle Play-off-Kandidaten gespielt, liegt aber schon vier Punkte hinter den Play-off-Plätze. Wie sehr sehen Sie die Play-off-Teilnahme Ihrer Mannschaft in Gefahr?
Die Liga ist in dieser Saison wirklich sehr, sehr stark. Es war vor dem Saisonstart sicher auch allen bewusst, dass sehr viele Mannschaften in die Play-offs wollen. Klar ist natürlich, dass wir auch weiterhin dahin wollen. Das Gute am Liga-System ist ja, dass man auch als Tabellenvierter noch eine Chance hat, Meister zu werden. Aber tatsächlich haben wir noch starke Gegner vor uns, wir haben etwa noch gar nicht gegen die TTF Liebherr Ochsenhausen oder den TTC RhönSprudel Fulda-Maberzell gespielt, und wir haben nun ja schon gesehen, dass es wirklich gegen jeden Gegner schwer ist. Für uns heißt das, dass wir uns noch nicht verrückt machen, aber schon viele Punkte holen müssen, um noch eine Chance auf die Play-offs zu haben.
Zum Wiedereinstieg müssen Sie bei Borussia Dortmund antreten, doch für einen Aufbaugegner ist der BVB wohl zu stark. Wie groß ist der Erfolgsdruck?
Wenn man mal ein paar Spiele verloren hat, merkt man natürlich, dass es nicht so mega einfach ist und man nicht mehr so locker und befreit spielt. Wichtig ist meiner Meinung nach vor allem, dass wir es annehmen. Gegen Dortmund waren wir im Pokal-Schlussdoppel schon fast draußen, deswegen müssen wir gucken, dass wir wieder alles reinlegen, auch weil wir wohl erst mal nicht brillieren werden, sondern es nur über den Kampf geht. Damit wollen wir nach der EM wieder anfangen.
Welche Gründe hat die schwache Bilanz von nur zwei Erfolgen in den ersten fünf Spielen?
Nach fünf Spielen lässt es sich nur schwer sagen, woran es liegen soll. Ich glaube aber, dass der Hauptgrund ist, dass Darko Jorgic und ich zusammen nie zu 100 Prozent top gespielt haben. Gegen Werder Bremen habe ich das wichtige Spiel gegen Marcelo Aguirre verloren, als Darko super gespielt hat; gegen Borussia Düsseldorf habe ich ganz gut gespielt, und er war nicht zu 100 Prozent da. Wir müssen einfach schauen, dass wir jetzt alle bald in Topform spielen und uns da hineinkämpfen. Wenn wir als Mannschaft wieder geschlossen spielen, kommen hoffentlich auch wieder die Siege.
Es gibt verschiedene Auffälligkeiten: Darko Jorgics schwacher Saisonstart nach Olympia, die scheinbar verloren gegangene Souveränität in Kombination mit einer gesunkenen Erfolgsquote im Doppel und ein bemerkenswerter Heimkomplex mit Niederlagen in allen drei bisherigen Spielen in eigener Halle...
Seit ich 2016 nach Saarbrücken gekommen bin, hat uns immer auch unsere Heimstärke ausgezeichnet. Deswegen sind diese Heimniederlagen auch für uns ungewohnt, weil wir uns in unserer Halle eigentlich immer noch sehr wohlfühlen und durch unsere Zuschauer im Rücken auch sehr erfolgsverwöhnt sind. Wir wissen auch nicht, warum es gerade anders ist, und hoffen sehr, dass es doch eine Ausnahme bleibt. Wenn uns erst einmal wieder einen Heimsieg gelingt, dann wird es für uns auch zuhause wieder nach vorne gehen. Zur Doppelthematik gehört, dass wir gefühlt ja in praktisch jedem Spiel ins Doppel mussten, aber dabei das eine oder andere knappe Doppel auch gewonnen haben. Grundsätzlich sieht man daran, wie wichtig es ist, dass man ein Doppel und in Zukunft vielleicht auch mehrere hat, die sich gut einspielen. Da sind wir gerade auch wegen der wenigen Übungsmöglichkeiten im Training gefragt, damit wir da möglichst variabel stehen.
In anderen Sportarten tanken Vereine mit Problemen in der heimischen Liga oft Selbstvertrauen im internationalen Wettbewerb. Ist die Champions League für Saarbrücken in dieser Saison abgesehen von der erneuten Gastgeber-Rolle für die Endrunde aufgrund des bisher holprigen Bundesliga-Alltags doppelt wichtig?
Nein, das würde ich nicht so sagen. Wir wollen auch nach unseren drei Finals in der vergangenen Saison weiterhin immer ganz nach vorne. Unser Ziel sind deswegen auch weiter drei Endspiele, auch weil in der Bundesliga ja noch nichts entschieden ist. In der Champions League kennen wir unseren Gegner für Achtelfinale noch nicht, aber klar ist, dass wir das Spiel und danach idealerweise auch das Viertelfinale gewinnen wollen, um bei unserer Heim-Endrunde wenigstens auch dabei zu sein. Das ist unser Ziel, dann unsere Fans mitnehmen und nach Möglichkeit unsere Heimstärke ausnutzen.
Saarbrücken hatte Truls Möregardh schon vor seinen beiden Olympia-Silbermedaillen als Verstärkung ausschließlich für die Champions League verpflichtet, der Post SV Mühlhausen verfolgt mit gleich zwei Weltklasse-Chinesen die gleiche Personalstrategie. Ist diese Praxis aus Ihrer Sicht der Weg der Zukunft?
Es ist schon mittlerweile erkennbar, dass einzelne Vereine bestimmte Spieler nur für bestimmte Wettbewerbe holen. Saarbrücken macht das in dieser Saison zum ersten Mal, aber das ist meiner Meinung nach nur der Tatsache geschuldet, dass es inzwischen so viele Turniere gibt und sich einige Spieler wegen der sehr, sehr vielen Wettkämpfe nicht über eine ganze Saison binden wollen. Für mich persönlich war solch ein Teilzeitmodell nie eine Frage: Ich binde mich gerne an einen Verein und gebe dann auch alles. Aber so lange die Regeln es so erlauben, sollen jeder Verein und jeder Spieler es so machen, wie sie es möchten.
Für Paris war Ihnen nach der knappen Nominierung nur die Zuschauerrolle geblieben. Wie bewerten Sie diese Entscheidung heute mit einigen Monaten Abstand?
Dazu ist ja schon viel gesagt worden. Klar ist, dass es nicht einfach war, und es hallt momentan auch noch etwas nach. Eigentlich möchte ich aber nicht noch mehr dazu sagen, als dass es jetzt nur in die Zukunft geht.
Was haben Sie zur Verarbeitung dieser Enttäuschung getan?
Ich habe versucht, so weiterzumachen wie vorher auch schon, also meinen Weg zu gehen, gut zu trainieren, zu versuchen, gute Wettkämpfe zu spielen. Die Familie hat auch sehr dabei geholfen. Wenn man nach Hause kommt und unser kleiner Sohn schaut Dich und will auf den Spielplatz - dann vergisst man alles auch für eine Zeit, Siege wie Niederlagen. Das tut auch ganz gut, finde ich, und sorgt auch für eine wichtige Balance.
Der volle Terminkalender lässt den Profis immer weniger Freiräume. Wie schalten Sie ab? Welche Freizeitbeschäftigung ist Ihnen am liebsten, die nichts mit Tischtennis zu tun hat?
Es ist wahr, dass ich nicht allzu viel Zeit für Freizeitbeschäftigungen habe, weil ich neben meinem Beruf und den vielen Reisen ja auch eine Familie und ein Privatleben habe. Deswegen konzentriere ich mich in meiner Freizeit darauf, dass ich für die Familie, meine Frau und mein Kind, voll da bin. Wenn dann doch einmal Zeit ist, treffe ich auch gerne Freunde, selbst für eine Stunde nur auf einen Kaffee. Das tut schon sehr, sehr gut, weshalb ich auch immer schaue, dafür Zeit einzuräumen. Auf Reisen bei Turnieren, wo ja auch viel Zeit zwischen den Spielen sein kann, ist mein Programm ganz unspektakulär. Ich lese ein Buch oder schaue mir ein paar Videos oder Filme an.
Zum Rückrunden-Start könnten Sie im Spiel gegen den TTC OE Bad Homburg auf Ihren Schwager Kristian Karlsson treffen. Wie gehen Sie innerhalb der Familie mit dieser Konstellation um? Wird viel gefrotzelt oder ist Tischtennis manchmal auch einfach tabu?
Die Situation besteht ja schon lange, und Kristian und ich haben in dieser Zeit schon oft gegeneinander gespielt. Nach den Spielen wird dann schon immer ein bisschen gefrotzelt, früher haben wir uns immer die Weltranglisten hin- und hergeschickt, je nachdem, für wen von uns das besser aussah. Aber wir werden ja auch älter, und wenn wir uns familiär treffen, wird dann relativ wenig über Tischtennis gesprochen, weil es dann ja doch auch immer noch andere Themen gibt, und das tut auch gut und ist bestimmt auch gesund. Also man sollte sich Weihnachten in unserer Familie nicht so vorstellen, dass wir dann nur über unser letztes Match oder nur über Tischtennis sprechen, weil dann auch mal die anderen Themen wichtiger sind. Dadurch wird das noch besonderer für uns. Aber selbstverständlich, das ist doch klar, werde ich gegen Bad Homburg alles geben, um ihn, wenn wir gegeneinander spielen, zu besiegen.
Vielen Dank für das Gespräch, Patrick Franziska.
Interview: Florian Manzke