Interview mit Manager Nicolas Barrois (Teammanager 1. FC Saarbrücken TT) „Wollen nachhaltig mit Fan Zhendongs Engagement umgehen“

Der Wechsel von Olympiasieger Fan Zhendong zu Champions-League-Gewinner 1. FC Saarbrücken TT ist in der Tischtennis-Szene das beherrschende Thema der Sommerpause. Im Interview beschreibt FCS-Teammanager Nicolas Barrois die veränderten Herausforderungen für den Verein durch den Transfer, aber auch Erwartungen und Ziele.
Nicolas Barrois, bei der Bekanntgabe von Fan Zhendongs Wechsel zu Ihrem 1. FC Saarbrücken TT haben Sie selbst die Verpflichtung des chinesischen Olympiasiegers als „noch völlig unwirklich“ bezeichnet. Sind Sie inzwischen, fast zwei Monate später, in der Realität angekommen?
Es ist sehr schnell zur Realität für uns geworden, denn wir haben bei allem, was praktisch ab dem nächsten Tag auf uns eingeprasselt ist, fast sofort bemerkt, dass der gesamte Verein sich auf eine große Aufgabe einzustellen hat.
Was gehört alles zu dieser Aufgabe?
Die Ticketanfragen sind in die Höhe geschossen, damit einhergehend natürlich Sicherheitsfragen in der Halle, die Intensivierung der Zusammenarbeit mit unseren Gastro-Partnern. Wir mussten uns in den ersten Wochen nach dem Transfer in fast allen Bereichen neu aufstellen, auch um unseren Standard der vergangenen 15 Jahre weiter anbieten zu können.
Interessant für die Fans aller anderen TTBL-Vereine ist ja auch Fans Einsatzplan. Lassen sich dazu schon konkrete Aussagen treffen?
Für die Hinrunde haben wir mit ihm über etwa fünf bis sieben Einsätze gesprochen und bereits grundsätzlich positive Rückmeldungen erhalten. In der Rückrunde könnten es nach aktueller Einschätzung sogar mehr als sieben Einsätze werden.
Die Verpflichtung eines Topstars aus China wie Fan bedeutet doch sicher auch Vorgaben der dortigen Regierung. Wie muss man sich das vorstellen?
Natürlich lässt sich Politik nie ganz ausblenden – unser erster und direkter Ansprechpartner ist aber der Spieler selbst. Mit ihm stehen wir in engem, regelmäßigem Austausch und besprechen offen alle relevanten Fragen, von möglichen Einsätzen in Deutschland bis hin zu seinen weiteren Verpflichtungen, insbesondere in China. Der chinesische Verband ist dabei stets aktiv eingebunden. Die vertrauensvolle Zusammenarbeit mit dem Spieler und die gewachsene Abstimmung mit dem Verband bieten gemeinsam eine stabile und zukunftsfähige Grundlage für alle weiteren Schritte.
Ein Projekt wie Fan Zhendong gehört auch finanziert. Wie groß ist dabei die Rolle Ihrer Sponsoren und deren Interesse am chinesischen Markt?
Natürlich ist unsere schon jetzt gestiegene Sichtbarkeit in China super. Zwar ist nicht für jeden unserer Sponsoren der chinesische Markt interessant, aber generell ist es für jeden unserer Partner eine tolle Sache, dass unsere Sichtbarkeit in Asien erheblich größer sein wird als in der Vergangenheit. Außerdem ist ja erst durch Fans Transfer auch noch der eine der andere neue Sponsor auf uns aufmerksam geworden.
Fans Wechsel zu Ihrem Klub kam praktisch just zu dem Zeitpunkt, an dem der TTBL durch Timo Bolls Laufbahnende das populärste Zugpferd abhandengekommen war, und löste gleich einen regelrechten Hype aus. Wie wichtig ist Fans Engagement in der Bundesliga aus Ihrer Sicht generell?
Fans Einstieg in die Bundesliga ist eine tolle Geschichte. Der Liga, die ja außer Timo als Gesicht der letzten Jahrzehnte auch Stars wie die Vizeweltmeister Hugo Calderano und Simon Gauzy verloren hat, tut das gerade auch ganz gut. Dabei geht es mir gar nicht so sehr um unseren Verein, sondern ich habe nach Gesprächen mit anderen Vereinsverantwortlichen schon das Gefühl, dass alle total happy sind und alle Vereine davon profitieren können. Das finde ich super positiv.
Saarbrücken hat zuletzt schon dreimal in Folge die Champions League gewonnen und jetzt nochmals einen enormen Zugewinn an sportlicher Qualität erhalten. Bricht jetzt nach der „Ära Düsseldorf/Boll“ endgültig die „Ära Saarbrücken“ an?
Es wäre total vermessen zu sagen, dass wir Düsseldorf ablösen wollen. Das kann und wird in den nächsten zehn Jahren nicht passieren, dafür ist Borussia Düsseldorf eben Borussia Düsseldorf.
Aber wenn der Olympiasieger zum Champions-League-Gewinner kommt, müssen doch bestimmte Erwartungen bestehen…
Unser Ziel muss sein, Fans Engagement so gut es geht mitzunehmen. Wir wollen so nachhaltig wie möglich damit umzugehen, finanziell, aber auch strukturell. Wir haben super viele Anfragen zum Beispiel für Volunteers-Plätze. Natürlich sind das viele, die sich bei uns melden, die wollen Fan Zhendong sehen oder bei dem Verein helfen, für den Fan Zhendong spielt. Wenn davon nur zehn bis 20 Prozent auch noch nach Fan Zhendongs Zeit bei uns hängen bleiben, haben wir etwas richtig Gutes auf die Beine gestellt. Dann war der Transfer ein ganz großer Erfolg, nicht nur sportlich, sondern auch strukturell, und darauf sollte unser Fokus liegen.
Keine Formulierung von sportlichen Zielvorgaben?
Wenn sich die aktuell angedachte Anzahl an Einsätzen von Fan realisieren lässt, ist für uns klar: Dann wollen wir im kommenden Jahr in allen Wettbewerben um die Titel mitspielen.
Zum Abschluss noch einmal zurück zu Saarbrückens Kontakten zum chinesischen Verband. Welche Vorteile können aus dieser Beziehung entstehen?
Wir können alle in Deutschland von einer guten Zusammenarbeit mit den Chinesen nur profitieren, weil China einfach die Nummer eins im Tischtennis ist. Wenn es Fan bei uns gefällt und er trotzdem vielleicht irgendwann nicht mehr für uns spielt, schickt China womöglich noch einmal den einen oder anderen Star, um die schon sehr attraktive TTBL nochmal zwei Prozent attraktiver zu machen.
Fans Verpflichtung ist ja aber auch ein Vermarktungscoup, der weltweit, aber vor allem in China Strahlkraft schon entfaltet hat und noch entfalten wird. Welche Potenziale sind da vorhanden?
Ich hoffe schon, dass Liga, Partner und Vereine in diesem Bereich der Vermarktung an einem Strang ziehen und das bestmögliche Ergebnis aus dieser Situation ziehen können. Im besten Fall entwickelt sich eine Plattform für unseren Sport und für unsere Liga im Ausland, so dass man die Liga bald sehr weitläufig auf der ganzen Welt verfolgen kann.“
Vielen Dank für das Gespräch, Nicolas Barrois.
Interview: Florian Manzke