Interview mit Kristijan Pejinovic (Präsident TTF Liebherr Ochsenhausen): „Der Prozess ist der Erfolg.“
Die TTF Liebherr Ochsenhausen müssen in der Tischtennis Bundesliga (TTBL) um die angestrebte Teilnahme an der Play-off-Runde bangen – und haben in dieser Phase mit einigen Personalentscheidungen aufhorchen lassen. Im Interview spricht Präsident Kristijan Pejinovic über die Hintergründe des Umbruchs, Simon Gauzys WM-Mannschaftssilber und – in seiner Funktion als TTBL-Aufsichtsratsmitglied – auch über die Sollstärke der höchsten deutschen Spielklasse.
Kristijan Pejinovic, Ihre TTF Liebherr Ochsenhausen müssen in der Tischtennis Bundesliga sehr um die Play-off-Teilnahme zittern. Seit Wochen leiten Sie zugleich einen Umbruch ein. Welcher Zusammenhang besteht zwischen diese beiden Feststellungen?
Vor zehn Jahren hatten wir genauso einen historischen Umbruch, damals noch mit Ryu Seung-Min, als man eine neue Ära eingeläutet hatte. Das hatten der Verein und ich für uns nun schon einige Zeit auch im Auge, aber die Entwicklungen dieser Saison haben es in gewisser Weise beschleunigt, was weniger mit einer Play-off-Teilnahme zu tun hat als mit den äußeren Gegebenheiten wie WTT oder Olympia. So ging es nicht weiter, und es wurde an der Zeit, ein neues Fundament zu setzen.
Die TTF könnten schon im TTBL-Halbfinale nur noch Zuschauer sein. Mit welchen Problemen hat Ihre Mannschaft in der laufenden Saison besonders zu kämpfen?
Bei uns sind Can Akkuzu und Samuel Kulczycki sehr lange ausgefallen. Das hat die Spieler, die dadurch verstärkt ran mussten, sehr viel Kraft gekostet, weil ihre sonstigen Verpflichtungen auch nicht ohne sind. Wenn man genauer hinschaut, ist das auch bei anderen Teams der Fall, aber wir waren eben nicht vom Glück verfolgt und mussten einige Federn lassen, was natürlich weh tut. Aber auch wenn es für unsere Play-off-Teilnahme inzwischen schwierig aussieht, werden wir bis zum Schluss kämpfen - dafür sind wir bekannt. Wir werden sehen, was noch passiert. Aber diese Niederlagen, die wir eingefahren haben, haben wir auch früh eingefahren und nicht erst in der Rückrunde, aber es schmerzt, wenn zwei gute Stammspieler ausfallen. Da kann man nicht mehr viel machen.
Allen Schwierigkeiten zum Trotz gewann Ihr Weltklassespieler Simon Gauzy bei der Team-WM im Februar in Südkorea mit Frankreich Silber. Wie viel Ochsenhausen steckt in diesem großen Erfolg?
Es ist tatsächlich schön, dass Simon WM-Silber mit seinem Team geholt hat. Das ist etwas ganz Besonderes und darauf kann er stolz sein. Ich denke, dass ganz sicher ein Teil Ochsenhausen in dieser Silbermedaille drin ist, aber Simon könnte das sicher noch viel besser beantworten - es ist ja schließlich auch seine Medaille. Aber ich persönlich hoffe schon, dass wir in unseren mehr als zehn Jahren als Weggefährten auch einen Beitrag dazu leisten konnten. Alleine, dass er sich bei uns ja offenkundig wohl fühlt, ist wichtig und kann schon ausschlaggebend sein, denn dadurch ist das Umfeld ja schon einmal kein Störfaktor. Wir machen auf jeden Fall immer alles, die benötigten Freiräume zu schaffen und Vorbereitungen zu ermöglichen. Simon ist auf jeden Fall stolz auf diese Medaille, und wir sind es auch.
Bei den Bekanntgaben der Trennung sowohl von Cheftrainer Fu Yong als auch von den Spielern Can Akkuzu als auch Samuel Kulczycki sprachen Sie das Ziel einer sportlichen Neuausrichtung ab der kommenden Saison an. Was hat den Ausschlag für diese Bewertung gegeben, und wofür wollen und sollen die TTF in Zukunft stehen?
Es besteht das Gefühl, dass wieder ein Kapitel geschrieben ist. Es sind wieder zehn Jahre vergangen, in denen für uns auch zwei Titel zu verbuchen gewesen sind, außerdem viele Play-off-Teilnahmen und Halbfinals auch im Pokal. Man merkt einfach, dass die Zeit für Veränderungen gekommen ist, weil gewisse Faktoren fehlen und man auch sehen kann, wie schwer sich eine Mannschaft tut etwa in dieser Saison bei der Sicherung der Play-off-Teilnahme. Dann muss man im Sport neue Impulse reingeben, das war mir schon Mitte vergangenen Jahres unabhängig von den aktuellen Ergebnissen bewusst, zumal wir da ja nach Corona strukturell auch schon einiges verändert hatten und sich auch einige andere Rahmenbedingungen verändert haben. Da muss man sich selbst eben auch verändern und nicht mehr nur justieren, sondern richtiggehend anpassen, weil man ja weiter alles - TTBL, WTT und eine Zwölfer-Liga - unter einen Hut bekommen muss, was nicht einfacher wird, sondern schwerer. Entsprechend muss man reagieren und sich bewegen. Alles so zu belassen, wie es ist, wäre unter den beschriebenen Umständen fatal.
Sie selbst räumten in öffentlichen Erklärungen zu den Spieler-Personalien selbst ein, dass der Verein es "in den vergangenen zwei Jahren nicht geschafft hat, mehr Stabilität sowie auch eine deutliche sportliche Entwicklung herbeizuführen. Worauf führen Sie diese Versäumnisse zurück?
Wenn ein paar Zahnräder nicht mehr ineinandergreifen, kann das passieren. Ein wiederkehrendes Hindernis ist die Thematik WTT, denn wenn die Spieler nicht bei uns vor Ort sind, können wir sie auch nicht ausbilden. An unserem System hat sich dadurch einiges ge- und verändert. Demnach müssen wir uns auch verändern. Wichtig ist an dieser Stelle für alle Beteiligten aber auch einmal ein Tapetenwechsel, neue Impulse von anderen Seiten oder an anderen Standorten können da auch guttun. Wenn man sich trennt, ist es ja nicht automatisch eine Qualitätsfrage, sondern ein Zahnrädchen greift vielleicht nicht, und dann funktioniert das Ganze nicht. Man kann sich noch weiter den Kopf zerbrechen, warum das bei uns nicht funktioniert hat, aber einige Stellen haben wir auch analysieren können.
Den meisten Neuausrichtungen liegen auch Zielsetzungen zugrunde. Welche Ziele setzt sich Ochsenhausen?
Ziel ist für mich in der kommenden Saison der Beginn eines neuen Kapitels. Dafür die komplette Umstrukturierung, die sportliche Neuausrichtung - alles einmal kräftig umkrempeln. Das bedeutet einen Neustart in manchen Belangen. Weitere Ziele können wir später immer noch definieren, wenn alle Punkte gesetzt sind. Sportlich ist für mich der Prozess der Erfolg, nicht einfach nur die Ergebnisse. Wir haben das große Glück mit unseren Partnern an unserer Seite, die den Prozess gerne begleiten und sehen, dass wir uns sowohl sportlich als auch organisatorisch entwickeln, was in meinen Augen sehr wichtig ist. Wenn man nur auf Erfolg aus wäre, könnte man es machen wie früher der TTC Neu-Ulm und sich ein sehr starkes Team zusammenschneidern und zusammenkaufen. Das ist nicht unsere Philosophie. Wofür wir stehen, ist an unsere Ziele - ein neues Kapitel beginnen und einen Prozess mit der richtigen Richtung einleiten - gebunden.
Zum Abschluss ein anderes Thema: Sie sind auch Mitglied des TTBL-Aufsichtsrates. Für die neue Saison zeichnet sich durch die Lizenzbewerbung des TTC OE Bad Homburg und Borussia Dortmund ein Spielbetrieb mit zwölf Mannschaften ab. Wie wichtig wäre die Rückkehr zur Sollstärke?
Es ist richtig und wichtig, dass die Sollstärke wieder erreicht wird. Es ist ein Signal für die Attraktivität der Liga. Wie die voraussichtlich neuen Teams sich im Vergleich zu früheren Aufsteigern verstärken, zeigt auch, dass etwas da ist, und lässt darauf schließen, dass Gespräche im Sponsoren- und Fördererumfeld stattgefunden und die Partner die Attraktivität der TTBL erkannt haben. Entsprechend scheinen Mittel zur Verfügung gestellt zu sein. Mir zeigt das auch, dass sich unser Engagement und unsere Mühen als Liga sich nun endlich auszahlen. Allerdings gehört zur vollen Sollstärke auch die Terminthematik: Wir konnten und mussten schon im vorigen Jahr und auch in dieser Saison schon mit weniger Vereinen sehen, dass es schwierig ist, alles unterzubekommen. Längerfristig stellt sich uns da schon die Frage, wie wir damit umgehen: Passt die Sollstärke noch, was soll die Sollstärke sein, ist sie noch adäquat oder muss man etwas ändern? Aber zunächst ist klar, dass die erreichte Sollstärke ein wichtiges Zeichen für alle Beteiligten ist.
Vielen Dank für das Gespräch, Kristijan Pejinovic.
Interview: Florian Manzke
Beitragsbild oben: Kristijan Pejinovic (Foto: TTF Liebherr Ochsenhausen)