Boll zwischen Abschiedsschmerz und künstlicher Spannung

Boll zwischen Abschiedsschmerz und künstlicher Spannung

Komplizierte Champions-League-Regeln lassen Borussia Düsseldorf und den 1. FC Saarbrücken TT im Viertelfinale um die Teilnahme am Final Four bangen - und Timo Boll um einen letzten großen Auftritt auf internationaler Bühne.

Timo Boll steht auf seine alten Tage nochmals vor einem besonderen Spagat. Im definitiv letzten Champions-League-Heimspiel seiner Karriere wartet auf das deutsche Tischtennis-Idol bei Borussia Düsseldorfs Viertelfinalrückspiel gegen Alliance Nimes/Montpellier eine emotionale Herausforderung, doch der 43-Jährige darf sich wegen eines geradezu aberwitzigen Reglements trotz eines 3:0-Hinspielerfolgs keinesfalls verfrüht seinen Gefühlen hingeben.

"An die Konstellation denke ich noch nicht, denn das Spiel wird kein Selbstläufer", sagte Boll dem SID vor dem Duell der Rheinländer am Sonntag (13.00 Uhr) mit dem Team von Frankreichs Wunderkind Felix Lebrun: "Wir werden noch einmal einen guten Tag wie im Hinspiel brauchen."

Tatsächlich kann die Hoffnung von Deutschlands erfolgreichstem Champions-League-Spieler (sieben Siege) auf einen letzten großen Auftritt beim Final Four in Saarbrücken (31. Mai/1. Juni) ganz abrupt platzen. Denn Düsseldorfs Coup am Mittelmeer ist noch kaum etwas wert: Sicher haben Boll und Co. bisher lediglich nur die "Golden Match" genannte Verlängerung, für das Ticket ohne mindestens zwei zusätzliche Ein-Satz-Duelle jedoch muss der deutsche Meister wenigstens zwei der maximal fünf regulären Einzel gewinnen.

Der Europa-Verband ETTU erließ dieses komplizierte Regelwerk vor zwei Jahren zur Vermeidung von frühen Entscheidungen in K.o.-Spielen. Düsseldorfs Manager Andreas Preuß allerdings hält den Modus für unsportlich. "Leistung wird nicht mehr belohnt", sagte Preuß im SID-Gespräch, "ich kann nicht verstehen, dass man Bewertungssysteme erfindet, um künstlich Spannung zu erzeugen, deren Entstehung man aber niemandem erklären kann. So ist das Schrott."

Bolls langjähriger Nationalmannschaftkollege Patrick Franziska steht mit Titelverteidiger 1. FC Saarbrücken nach einem 3:0 bei GV Hennebont formal vor der gleichen Herausforderung wie Vorjahresfinalist Düsseldorf. Allerdings "ist Hennebont nicht Montpellier", meinte Franziska auf SID-Anfrage zu den Chancen seines Teams, "wir müssen als Favorit gelten."

Erwartungen bestehen weitgehend nur durch das mögliche "Finale doheem", wie der Weltranglistenachte erkennen ließ: "Es muss unser Ziel sein, wieder dabei zu sein. Das hat für uns höchste Priorität." Die Saarländer können als erster Klub seit Düsseldorf vor 14 Jahren den Hattrick in Europas Königsklasse schaffen.

Unabhängig davon aber sieht auch Franziska die Regelexperimente kritisch: "Manches bei uns fühlt sich an, als ob man beim Tennis nur noch bis drei spielt. Zuletzt beim Junioren-Grand-Smash haben sie nur noch bis zum siebten statt elften Punkt gespielt und hatten ursprünglich sogar noch einen Rundlauf-Variante erwogen. Ich finde aber, dass es irgendwann auch einmal reicht."

Quelle: SID
Beitragsbild oben: Timo Boll (Foto: Jörg Fuhrmann)